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Update: Eröffnungsrede zur Ausstellung „Vorgängerinnen"

der Weg von Frauen ins geistliche Amt

Update: Das Lesen dieses Textes dauert ca. 12 Minuten. Sie können sich die Rede unten auch von einem Computer vorlesen lassen.

Eröffnungsrede zur Wanderausstellung der ekbo „Vorgängerinnen – der Weg von Frauen ins geistliche Amt“ 2.7. – 10.8.2021 Kirche Zerpenschleuse
Vor 500 Jahren träumte eine Frau davon, auf der Kanzel zu stehen und zu predigen. Es war Elisabeth Cruziger, eine Frau der Reformationszeit. Von ihr ist ein Lied im Gesangbuch erhalten: EG 67, Herr Christ der einig Gotts Sohn.
Sie nahm wörtlich, was Martin Luther selbst gesagt hatte, über das Priestertum aller Gläubigen nämlich: „Denn was aus der Taufe gekrochen ist, das kann sich rühmen, dass es schon zum Priester, Bischof und Papst geweiht ist….“
Es war also nicht ungewöhnlich, dass bereits in der Reformationszeit Frauen predigten, Flugschriften verfassten, theologische Abhandlungen schrieben….
Aber es dauerte noch 400 Jahre, bis der Traum der Elisabeth Cruziger langsam Gestalt annahm. (Scheepers)
Seit 1908 dürfen Frauen an Universitäten studieren.
1920 hat das erste Mal eine Frau das 1. Theologische Examen abgelegt.
1943 gab es die erste Ordination von Frauen und seit
1974 gibt es, laut kirchlicher Grundordnung, die Gleichstellung von Frauen und Männern im Pfarramt.
Von dem Weg dahin berichtet die Ausstellung, die 2019 erstmals gezeigt wurde.
Bevor wir uns näher damit befassen und für alle, die mit den Begriffen nicht so vertraut sind:
Ein Theologiestudium dauert 4 – 6 Jahre, dann kommt das 1. (Staats)examen. Danach schließt sich ein praktischer Teil an, das Vikariat und das begleitendende theoretische Predigerseminar, das alles dauert ca. 2, 5 Jahre, dann kommen das 2. Examen und die Entsendungszeit, also das Pfarrerinsein auf Probe. Schließlich die Ordination durch den Bischof, und damit verbunden die Rechte zur Wortverkündigung, zum Austeilen der Sakramente, es erfolgt die Berufung auf Lebenszeit. Damit verbunden sind die Besoldung und auch Ruhestandsregeln.
Wer sich heute in unseren Kirchen und Gemeinden umschaut, sieht viele Pfarrerinnen.
Dabei ist es weltweit so, dass es immer noch mehr evangelische Kirchen gibt, die Frauen den Zugang zum kirchlichen Amt verwehren.
In Lettland bspw. wurde die Frauenordination wieder abgeschafft, in Polen werden Frauen in lutherischen Kirchen überhaupt nicht ordiniert.
Bis heute werden von Kritikern biblische Texte herangezogen die eine „natürliche“ und „schöpfungsgemäße“ Geschlechterordnungen zu zementieren. „Das Weib schweige in der Gemeinde!“ dieser Satz des Paulus war und ist tief verankert. Jedoch wird geleugnet, welche grosse Bedeutung Frauen in der Jesusbewegung hatten und in den frühen christlichen
Gemeinden. Merkmal dieser Gemeinden war die Gleichstellung aller. Frauen unterstützen Gemeinden mit Geld, sie standen ihnen vor, sie legten die heiligen Schriften aus. Doch mehr und mehr drängte man sie zurück. Sie durften weiterhin dienen ja, und sonst?
Es war ein langer Weg bis auf die Kanzeln.
Mit Beginn des 20. Jahrhunderts war es Frauen möglich, an Universitäten zu studieren. Nach dem Studium kam natürlich die Frage, was danach passieren sollte. In der Amtskirche waren Pfarrerinnen nicht vorstellbar. Und auch viele Theologinnen waren uneins: sollten sie ein spezielle Frauen-Pfarramt fordern? Mit einen eigenen Stellenzuschnitt wie etwa: Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, Seelsorge…usw. Oder sollten sie das gleiche Amt wie ihre Brüder in Christo fordern?
Etwas musste passieren, daher ging man Ende der 1930er Jahre dazu über, Theologinnen zumindest einzusegnen für ihren Dienst und ihnen dann einen begrenzten Aufgabenbereich zuzuweisen, unter Anleitung bzw. Verantwortung eines Pfarrers.
Eine Theologin, Ilse Härter, sprach 1939, als sie zu dieser Art Dienst eingesegnet werden sollte den mutigen Satz: „Sagen Sie dem Presbyterium (also dem GKR) zu meiner Einsegnung werde ich nicht anwesend sein.“
Mit Erfolg: 1943 wurde sie „richtig“ ordiniert vom damaligen Präses Kurt Scharf, in Oranienburg – Sachsenhausen und nicht nur sie, sondern auch Hannelotte Reiffen. Kurt Scharf tat das im Alleingang und in Abgrenzung seiner Amtsbrüder der damaligen bekennenden Kirche, die wenig fortschrittlich waren indieser Hinsicht.


Kurt Scharf ordinierte übrigens kurz vor seiner Berufung in das Bischofsamt… in dieser Position hätte er sich vielleicht nicht mehr gewagt. Es zeigt sich hier, wieviel am Mut und der Beherztheit einzelner, Frauen und Männer, nötig war, damit es weiter ging.
Die Ordination der Frauen erfolgte im Talar, auch das ein Novum deutschlandweit. Doch sie durften sich noch nicht Pfarrerin nennen: sondern Pfarrvikarin. Ihre Aufgaben wurden ihnen beschnitten.
Dennoch änderte sich durch diesen Vorstoß etwas. Schon im Oktober desselben Jahres 1943 gab der Bruderrat der bekennenden Kirche in Preussen die Ordination von Frauen frei und sogleich ließen sich die nächsten Theologinnen ordinieren, in Berlin - Lichterfelde.
Doch längst nicht alle wagten diesen Schritt. Viele forderten nichts für sich. Sie wollten einfach nur arbeiten, auch ohne Ordination. Die Pfarrer waren im Krieg, es mangelte in den Gemeinden. Und so taten viele unermütlich ihren Dienst, ohne zu fragen und ohne zu klagen: sie predigten, tauften, teilten Abendmahl aus, sie leisteten Seelsorge und sie beerdigten in diesen schlimmen Zeiten. Oftmals bis zur völligen Erschöpfung.
Sie waren notwendig, standen aber weiter im Schatten. In manchen Gemeinden bekam der Pfarrer Heimaturlaub von der Front, um die Konfirmationen zu vollziehen, weil man den Konfirmanden nicht zumuten konnte, von einer Frau eingesegnet zu werden. Oder es wurde gefragt, ob eine Taufe überhaupt gültig ist, wenn eine Frau sie vollzogen hatte. Vor jedem Abendmahl musste die Theologinnen eine Erlaubnis beim Superintendenten einholen.
Nach dem Krieg, als die Männer wiederkamen, wurden die Theologinnen nicht mehr gebraucht und in die zweite Reihe verwiesen. Für die meisten war das sehr bitter. Wie viele Fähigkeiten, Ideen, Kräfte und Leidenschaften gingen damit verloren? Die Kirche hat hier eine Schuld auf sich geladen durch die verweigerte Anerkennung der Leistungen dieser Frauen. Die Ausstellung ist daher auch ein Beitrag zur Aufarbeitung. Sie zeigt, wie der Weg weiter ging von der Notzeit im Krieg bis 1974.
Ein Schritt war das Pfarrvikarinnengesetz, das 1952 erlassen wurde und die Zulassung von Frauen zur Ordination bestätigt. Aber ihre Stellen waren immer noch beschnitten, und es galt die Zöllibatsklausel. Diese Klausel besagte das eine Pfarrerin die heiratete, nicht nur ihre Eheurkunde sondern gleichzeitig ihre Entlassungsurkunde aus dem Dienst erhielt. Sie durfte also plötzlich ihren erlernten Beruf nicht mehr ausüben, bekam keine Bezüge mehr. Falls sie sich scheiden ließ oder der Mann starb, konnte sie wieder zurück kehren.
Aber ersteimal kam ein Schreiben vom Konsistorium: „Schönen Dank, hiermit sind Sie entlassen, Gottes Segen auf ihrem weiteren Lebensweg..“. Das war bitter für viele Frauen.
Mit den 60er Jahren verstärkte sich der gesamtgesellschaftliche Kampf um die Rechte von Frauen. Die Gleichberechtigung der Geschlechter überhaupt wurde nun viel vehementer zum Thema.
1962 gab es in einer Pastorinnenverordnung das Recht zur unbeschränkten Verkündigung und Sakramentsverwaltung. Sie konnten arbeiten, ohne sich immerzu Genehmigungen einholen zu müssen. Jedoch wurde dies Gesetz vor allem im Osten angewendet.
Für mich war interessant zu lesen, dass die Entwicklung im Ost- und im Westteil der Kirche in Deutschland etwas verschieden weiter ging. So war es für Frauen im Osten einfacher und selbstverständlicher berufstätig zu sein, als im Westen. Im Osten gab es eher Superintendentinnen und mehr Frauen in leitenden Positionen. Und Pfarrerinnen wurden auch nicht mehr aus dem Dienst entlassen, wenn sie heirateten. Man drückte da ein Auge zu. Denn die Frauen wurden gebraucht.
1974 dann kam schließlich, nach erregter Debatte auf der Synode, das Kirchengesetz zur völligen rechtlichen Gleichstellung von Frauen und Männern im Pfarrberuf.
Wichtig zu erwähnen ist auch noch die EKD-Synode von 1989, die sich zur „Gemeinschaft von Frauen und Männern in der Kirche“ äußerte und feststellte, dass es eine Gemeinschaft der Gläubigen ohne Geschlechtergerechtigkeit nicht geben könne.
Und vielleicht erinnern sich manche auch noch an die Dekade des Ökumenischen Rates der Kirche von 1988 – 1998, die den Titel trug: In Solidarität mit den Frauen. Innerhalb dieser Dekade entstanden übrigens die Mirjamsonntage, die wir ja auch in unserem Kirchenkreis feiern.
Ich selbst, bin von Frauen der Kirche geprägt. Meine Großmutter war hoch engagiert in der Frauenhilfe, leitete eigenständig Kreise. Ich hatte in meiner Kindheit und Jugend auch eine Pfarrerin, die mir und meinen Brüdern viel bedeutet hat: Evamaria Stachat. Sie war unverheiratet. Es war Anfang der 70er. Eine tolle Pfarrerin, modern, klug. Sie wurde
respektiert…erst später, als Erwachsene ahnte ich mehr von den Schwierigkeiten, denen sie ausgesetzt war, als Frau im Pfarramt.
Ich denke, viele Pfarrerinnen unter uns wissen, wie oft das Frausein in unserem Beruf bis heute eine Rolle spielt. Alle von uns könnten Situationen berichten, in denen sie abgewertet, bloßgestellt, belächelt… wurden und werden. Bis heute gibt es geschlechterbezogene Zuschreibungen und häufig auch geschlechterspezifische Arbeitsteilungen im Pfarrberuf…..nicht selten hat die Idee des weiblichen Dienstes dazu geführt, dass Pfarrerinnen sich klaglos für die Gemeinde aufgeopfert haben und über ihre Grenzen gegangen sind. Auch in vielen Gemeinden eine Selbstverständlichkeit. (Menzel)
Heute ist das ganze Berufsbild im Wandel. Es gibt scheinbar mehr Frauen als Männer im Amt, dem ist aber nicht so in der ekbo.
Es gibt Stimmen, die von einer „Feminisierung“ des Berufes reden und sagen, dass er an Attraktivität verliert, weil so viele Frauen darin tätig sind. Diese sog. Verweiblichung schade dem Ansehen des Berufes, die Qualität der Amtsführung sei in Gefahr. Es würden eher „Mutti-Typen“ statt für Intellektuelle in den Pfarrberuf gehen. Hinzu käme die Neigung von Frauen zur Teilzeitarbeit, sodass ein Niedergang der Profession zu beobachten sei. Ich finde solche Äußerungen ärgerlich. (Menzel)
Festzustellen ist, dass Leitungsposten in der Kirche immer noch eher von Männer wahrgenommen werden. Frauen in Führungspositionen innerhalb der Kirche sind unterrepräsentiert.
Und wir erleben, dass, nicht zuletzt weil die ganze Kirche im Wandel ist, die Schwierigkeiten des Pfarrberufes heute sensibler wahrgenommen. Das ist gut so. Das Berufsbild verändert sich, durch Frauen und Männer.
„Frauen haben dem ordinierten Amt in der evangelischen Kirche ein vielfältigeres Gesicht gegeben. Sie haben den Bezug des Glaubens zum Leben gestärkt. Sie haben – z.B. durch die feministische Theologie – viel scheinbar Festgefügtes aufgebrochen durch ihre Fragen, Forschungen, ihre Beharrlichkeit und ihren Widerspruchsgeist. Frauen haben eine andere Sprache in die Verkündigung gebracht. Und sie haben, nicht durch eine spezifisch weibliche Amtsführung, etwas verändert sondern durch ihre Lebens- und Sozialisationserfahrungen, durch theologische Ideen, Lebensentwürfe und ihr Berufsverständnis.“ (Menzel)
Ich bin stolz auf meine Vorgängerinnen. Und ich bin ihnen dankbar.
Sabine Müller, 2.7.2021
(In meiner Rede verwende ich Texte aus folgenden Quellen: Kerstin Menzel: Frauen im geistlichen Amt – evangelische Normalität und neue Widersprüche, in feinschwarz.net, Mai 2019
Vorgängerinnen – der Weg von Frauen ins geistliche Amt, Katalog zur Ausstellung, Rajah Scheepers, 2019,
Predigt von Bischof Dröge, anlässlich der Eröffnung der Ausstellung, 30.4.2019)


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