Zur Hauptnavigation springen Zur Suche springen Zum Inhalt springen
RSSPrint

Überraschende Nähe mit Fremden!

Überraschende Nähe mit Fremden!

Mein erster Kachelgottesdienst ging mir ans Herz!

Mathis Oberhof

 

Am Morgen dieses Valentinssonntags hatte ich eigentlich an einen ganz anderen Text für diese Gemeinde-Webseite gedacht mit dem Titel: „Ich werde meiner Gemeinde untreu! Oder doch nicht?“

Der Gedanke kam mir, als im Gespräch mit meiner Frau über die Frage: „Auf was wollen wir in dieser Fastenzeit verzichten?“ die E-Mail der Aktion der evangelischen Kirche: „7 Wochen ohne“ einfiel: passend zu dieser Corona- und Quarantänezeit der vielen Verzichte haben die Initiator*innen für dieses Jahr das Fastenmotto gewählt: „Spielraum! Sieben Wochen ohne Blockaden“.

Ein Baustein davon werden sogenannte Bibliologs sein, die in einer Art „systemischer Aufstellung“ jeweils eine biblische Figur in einer Zoom-Konferenz von maximal zwölf Teilnehmerinnen beleuchtet wollen.

 

Ich war begeistert. Gleichzeitig kam irgendwo im Hinterkopf dieses blöde Männchen, das sich „schlechtes Gewissen“ nennt, hervor und sagte: „Du treibst dich mit deinem evangelischen Glauben ja nur noch außerhalb deiner örtlichen Gemeinde herum!“

 

In Gedanken malte ich mir einen Text aus, der beschreibt, dass Digitalisierung von Glaube, Gemeindeleben und Spiritualität unweigerlich bedeutet, dass sich Grenzen verschieben und verfließen. Wer immer auf diesem Erdball ein attraktives Angebot zu irgendeinem Thema im Internet macht, kann nicht ausschließen, dass ein/e Teilnehmer*in vom entgegengesetzten Ende der Welt sich „einklickt“. Die digitale Kirche ist eine globalisierte Kirche.

Die Konzentration von Glaubensleben und Spiritualität auf die territoriale Kirchengemeinde ist ja schon seit Jahrzehnten in Auflösung begriffen. Für mich ist dabei immer der Gedanke von zentraler Bedeutung, dass viel mehr Menschen sich christlich, gläubig oder spirituell orientieren, als es die Teilnehmerzahlen am örtlichen Sonntagsgottesdienst vermuten lassen.

Mit der zeitweiligen Abschaffung der Präsenzgottesdienste hat ja (im doppelten Wortsinne: Gott-sei-Dank!) das digitale Angebot geradezu exponentiell (um ein Wort aus der Corona Statistik zu benutzen) zugenommen.

Das führt für mich sehr konkret spürbar und fühlbar dazu, die Nähe und das Gemeinschaftserlebnis, das ich aus den Präsenzgottesdiensten in meiner Basdorfer Dorfkirche kenne (wenn auch auf ganz andere Art und Weise) in digitalen Formaten mit Menschen erlebe, die ich bisher noch nie gesehen habe, und von denen ich manche auch nie wieder sehen werde.

 

Der Kachelgottesdienst am Valentinstag hat mich dann an diesem  Sonntag Abend doch noch mal in eine ganz andere Richtung gelenkt: ca. 35 Teilnehmerinnen und Teilnehmer (40 Personen in 35 Kacheln A.d.R.) waren zum geringsten Teil aus meiner örtlichen Gemeinde. Wie schön dass die Predigt von „meinem“ Pfarrer aus Basdorf gehalten wurde. Es ging um die Liebe, es ging um das 13. Kapitel des ersten Korintherbriefs, das das „Hohelied der Liebe“ genannt wird. Und es ging um das Lied „All you need is love“ von den Beatles das 1967 die internationalen Hitparaden eroberte.

 

Wenn Jesus heute unter Quarantäne-Bedingungen zu einem digitalen Abendmahl einlüde, wäre es dann so ein Zoom-Kachel-Abendmahl?

 

Was heißt Liebe, was ist Liebe, was tut Liebe und was lässt Liebe, was kann ohne Liebe nicht funktionieren? Das waren die Fragen, mit denen Pfarrer Ludewig die Gottesdienstbesucher*innen in die „Breakrooms“ schickte. „Breakrooms“ das ist wieder so ein Wort, das sich erst in Coronazeiten aus Zoomkonferenzen gelernt habe: übersetzt heißt es „Pausenraum“ und es bezeichnet die technische Möglichkeit, durch die Zoom-Software aus einer großen Menschengruppe kleine Gruppen entweder gezielt oder per Zufall bilden zu lassen, in denen dann auch Diskussionen mit „offenem Mikrofon“ möglich sind, wo jeder jeden zuhören kann und Austausch möglich ist. Im analogen Bereich habe ich diese Gruppen als „Murmelgruppen“ kennengelernt, weil die Gruppenteilnehmer leise miteinander kommunizieren sollten („Murmeln“), da ja in dem Versammlungsraum 3, 4 oder mehr solcher Gruppen tagten und man sich nicht gegenseitig stören durfte.

Diese breakroom-Diskussionen sind für mich das Zaubermittel, bei digitalen Zusammenkünften näher und wenn gewünscht so etwas wie Intimität und Offenheit herbeizuführen.

Ehrlich gesagt habe ich in meinem Leben Präsenzgottesdienste bisher nicht erlebt, wo im Kirchenraum die Teilnehmer in Murmelgruppen aufgeteilt wurden. Im Präsenzgottesdienst gucken auch alle nach vorne. Zum Pfarrer, zur Pfarrerin, vor allem aufs Kreuz als das Symbol unseres Glaubens. An diesem Abend habe ich in der kleinen wie der großen Gruppe immer in Gesichter geguckt. Ich habe viel mehr Stimmen gehört als im Präsenzgottesdienst, viel mehr Facetten, vielmehr Schwingungen kennengelernt, und gesehen durch wie viel unterschiedliche Brillen man den Begriff „Liebe“ sehen kann.

Ich freue mich, dass dieser scheußliche aggressive Virus, der uns so viel Leid, Überforderung und Entbehrung abverlangt, uns „aufgezwungen“ hat, neue Formen der Kommunikation, der Verbindung, der Gemeinschaft.

„Globalisierung des Glaubens“ ist eben nicht nur, wenn Bischof Bedford-Strohm im Auftrag der EKD irgend eine Konferenz in Kenia besucht, sondern wenn ich an einem Sonntag mein Laptop aufmache und im Gottesdienst der von meinem Gemeindepfarrer zelebriert wird Menschen aus ganz Brandenburg treffe, Menschen die ich zum Teil noch nie traf und zum Teil auch nie wieder treffen werde, und wir ein wenig unsere Herzen öffnen und so auf ganz neue Art und Weise eine digitale Gemeinschaft bilden. Danke den Initiatoren und Organisatoren! Und bitte weitermachen!