Zur Hauptnavigation springen Zur Suche springen Zum Inhalt springen
RSSPrint

Abba im Weihnachtsgottesdienst oder was Musik alles bewirkt

Rückblick zum Lesen und Hören

 

Die in unserer Gemeinde lebenden Ukrainer können wegen des Krieges in ihrer Heimat nicht wie üblich mit ihren Angehörigen das Weihnachtsfest feiern. Können wir eigentlich nachvollziehen, wie sich das anfühlt? Das mag jetzt wie eine pathetische Frage erscheinen, schließlich hat wohl jeder schon einmal andere Umstände zum Weihnachtsfest erlebt als allgemein üblich oder als geplant. Da kann eine Erkrankung oder gar Corona das Fest verderben. Auch das Feiern in ganz anderer Umgebung (vielleicht unter Palmen oder auf einer Kreuzfahrt) mag einprägsam sein. Selbst persönliche Krisen oder Beziehungsprobleme lassen manches Weihnachtsfest in besonderer Erinnerung bleiben. Aber die Aussicht, die nicht freiwillig gewählten Umstände, diesen Krieg und die Entfernung von der Heimat auf unbestimmte Zeit ertragen zu müssen, erscheint mir besonders dramatisch, und ich muss zugeben, mit vagen oder bangen Vorstellungen in den ukrainischen Weihnachtsgottesdienst am 6. Januar gegangen zu sein. 

Die Eingangsworte unseres Pfarrers Lucas Ludewig passten genau zu dieser Situation: Wir feiern Weihnachten, auch wenn nicht alles perfekt ist, wir feiern, weil wir Hoffnung und Vertrauen haben auf Gottes Gerechtigkeit und Frieden. 

Die Wandlitzer Kirche war gut gefüllt, viele Kinder waren gekommen. Zweisprachig wurde zunächst die Weihnachtsbotschaft verlesen. Dann erklang ukrainische Akkordeonmusik. Es waren  sehnsuchtsvolle Weihnachtslieder, immer wiederkehrende Tonfolgen suggerierten einen weiten Horizont. Zunächst wurde nur zögerlich mitgesungen, dann erfasste die Musik die ukrainischen Besucher – für mich ein Gänsehaut-Moment.

Wieder musste ich an eine Erzählung meines Vaters aus dem Krieg denken, wo an der Front inmitten des schrecklichen Geschehens „Stille Nacht …“ gesungen wurde. Die ukrainisch-stämmige Organisatorin des Gottesdienstes Ganna Gardner aus Wandlitz hatte  ganz im Sinne der Völkerverständigung eine irische Musikerin, Fionnuala Devlin, für den Gottesdienst begeistert, die auch international sehr bekannte Lieder mitgebracht hat, deren Text alle Menschen ansprach. Wer hätte gedacht, dass der ABBA-Song „I have a dream“ so gut in einen Weihnachtsgottesdienst passt!

 

I have a dream, a song to sing

to help me cope, with anything

If you see the wonder, of a fairy tale

You can take the future, even if you fail

 

I believe in angels

something good in everything I see

I believe in angels

When I know the time is right for me

I′ll cross the stream,

I have a dream

 

Auch Bing Crosbys „White Christmas“  und „Stille Nacht…“ fehlten nicht. 

Dann wurde die Weihnachtsgeschichte aus dem Lukas-Evangelium als ukrainisches Krippenspiel erzählt. Auffällig war, dass die Kinder und Jugendlichen sich mit Freude beteiligten und in die von Pfarrer Ludewig mitgebrachten Kostüme schlüpften. Gewusel und Gewimmel beherrschte den Altarraum, denn alles sollte natürlich auch per Handy festgehalten werden.

Der nachfolgende Auftritt eines Musikerduos aus der Band „Cellovechno“ warf wieder alle Erwartungen um. Kara Artem und Stepan Lytwyn boten mit E-Cello, Keyboard und elektronisch unterstützter Percussion aufsehenerregende Musik.  Die ganze Kirche war erfüllt von den magischen Klängen, wobei ich nicht einmal sagen kann, war es eher klassische Musik ungewöhnlich interpretiert, war es Popmusik – sie war einfach staunenswert!! Die 2017 von dem Cellisten Kara Artem in der Ukraine gegründete Band unterstützt jetzt von Berlin aus ihre Landsleute. Sie stellen das Geld aus Benefizkonzerten zum Kauf von Dieselgeneratoren zur Verfügung und organisieren den Transport in ihre vom Krieg geplagte Heimat. In den englischen Kommentaren von Kara Artem kam zum Ausdruck, dass Friedenssehnsucht die Menschen eint und stark machen kann, unabhängig von ihrer Herkunft. Ebenso eint die Weihnachtsbotschaft, die daraus hervorgehende Hoffnung und Zuversicht alle Christen, unabhängig davon, wie sie ihre Religion ausüben und wo sie sich gerade aufhalten.

Und so ist in diesem Gottesdienst in Wandlitz hoffentlich auch etwas Weihnachtsfreude, etwas Geborgenheit aufgekommen. Vor uns in der Bankreihe verbreiteten jedenfalls zwei ukrainische Mädchen im Vorschulalter Fröhlichkeit und zauberten ein Lächeln in die Gesichter. Ich hätte zu gern ihre Vornamen gewusst. Der junge Gitarrist Alan spielt am Ende auf seiner Gitarre die ukrainische Nationalhymne.

Nach dem Gottesdienst trafen sich Wandlitzer und ukrainische Besucher bei einem Glas Glühwein oder Punsch und sehr leckeren Zimtschnecken. 

Sybille Gruska 

Nachtrag:

 

Olgas Beitrag auf Instragram zeigt, dass der Gottesdienst aus ukrainischer Perspektive ebenfalls sehr positiv aufgenommen wurde. (Übersetzung Ukrainisch Deutsch mit der appinternen Software)